Multiple Sklerose (MS) ist die am häufigsten auftretende chronisch-entzündliche Krankheit des Nevensystems und eine der führenden Gründe für Behinderung im jungen Erwachsenenalter. Die Inzidenz von MS nimmt weltweit zu, ebenso wie die sozioökonomischen Auswirkungen der Krankheit. Mit der Zulassung mehrerer Immuntherapien, aber dem Fehlen wirksamer Biomarker für die MS-Diagnose und die Stratifizierung einer Krankheit mit so diversen Verläufen, wird die Entscheidung für die richtige Behandlung immer komplexer. Außerdem wird ein breiter Einsatz bei MS-Patienten im Frühstadium, in dem diese Medikamente am wirksamsten sind, durch mögliche schwere, sogar lebensbedrohliche Nebenwirkungen und eine verzögerte Diagnose verhindert. Ein weiterer seltener, aber schwerer autoimmuner Entzündungsprozess, der das ZNS betrifft, Neuromyelitis Optica (NMO), ähnelt der Multiplen Sklerose, unterscheidet sich jedoch in der Verteilung und Histologie der neuroinflammatorischen Läsionen und zeigt einen aggressiveren klinischen Verlauf. Die NMO wird ebenfalls mit Immunsuppressiva behandelt, aber bisher ist noch kein Medikament speziell für die NMO zugelassen worden.
Der Liquor cerebrospinalis (CSF, cerebrospinal fluid) ist die Körperflüssigkeit, die der Pathologie der MS und NMO am nächsten kommt. Sie ist relativ leicht zugänglich und wird routinemäßig zur Unterstützung der Diagnose von entzündlichen und neurodegenerativen Krankheiten gewonnen. Die aus der Liquoranalyse gewonnenen Informationen sind jedoch begrenzt, und Marker mit hoher diagnostischer Sensitivität und Spezifität sind für MS, NMO und die meisten ZNS-Erkrankungen nicht verfügbar. Die auf der Massenspektrometrie basierende Proteomik ist eine leistungsfähige Technologie zur Entdeckung neuer Biomarker für Krankheiten, war aber bisher nicht auf Liquor-Proben anwendbar. Die Gruppe von Matthias Mann (Max-Planck-Institut für Biochemie, München) hat jedoch die proteomische Analyse von Liquor-Proben entscheidend vorangebracht und eine schnelle, robuste und hochgradig reproduzierbare Roboter-Pipeline zur spezifischen Analyse von Liquor-Proben etabliert.
Das übergeordnete Ziel des Arbeitspakets 1 ist es, die proteomischen Veränderungen, die mit Gewebsuntergang in chronisch-entzündlichen Erkrankungen des ZNS, insbesondere MS und NMO, einhergehen, besser zu verstehen und somit die Entwicklung von diagnostischen, prognostischen und therapeutischen Biomarkern voranzutreiben.
Ein intradisziplinäres Team herausragender Wissenschaftler führt Proteomanalysen im Liquor einer genau definierten Kohorte von Patienten mit MS und NMO durch, um krankheitsspezifische proteomische Veränderungen zu identifizieren und sie mit klinischen und paraklinischen Parametern in Verbindung zu bringen.
Ein Team renommierter Kliniker mit besonderer Expertise auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose und anderer chronisch-entzündlichen Erkrankungen des ZNS um Prof. Bernhard Hemmer (Abteilung für Neurologie, Universitätsklinikum Rechts der Isar) und Prof. Mikael Simons (Institut für Neuronale Zellbiologie, Technische Universität München) definiert die Patientenkohorte und stellt das Patientenmaterial aus der bestehenden Biobank bereit. Darüber hinaus arbeitet das klinische Team an der Standardisierung und Verfügbarkeit aller phänotypischen Patientendaten, der Zusammenstellung der genomischen Daten der Patientenkohorten und der Ermittlung der Qualitätsanforderungen an Liquorproben für die Proteomanalyse.
Die Probenaufbereitung und die proteomische Analyse werden von Experten auf dem Gebiet der massenspektrometrie-basierten Proteomik, die besondere Expertise in der Probenaufbereitung and der poteomischen Analyse von Liquorproben haben, aus der Gruppe von Matthias Mann (Proteomics und Signaltransduktion, Max-Planck-Institut für Biochemie) durchgeführt. Ergänzt wird das Team durch erfahrene Bioinformatiker aus der Gruppe von Prof. Fabian Theis (Computational Biology, Helmholtz Zentrum München). Diese arbieten an der Entwicklung und Implementierung einer automatisierten Pipeline für die Datenanalyse von proteomischen Daten aus Liquorproben.